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Ingrid Buttler
Vom Träumen und Kämpfen, Roman
ISBN 978-3-943446-79-1
Preis
€ 18,- D/A/CH
172 Seiten
Erscheinungsdatum: 28.2.2025
Inhalt:
Ein Schulstreik am Hamburger Gymnasium führt zu Julias erster Aktion gegen Ungerechtigkeit. Sie begibt sich mit Enthusiasmus auf den Weg der politischen Bewusstwerdung: Schulungen, Partys, erste Lieben. Im Studium tritt sie der ‘Sozialistischen Studenten Gruppe’ bei und begibt sich unter die Worte des ‚Großen Vorsitzenden‘ Mao Tse-Tung.
Nur die Frage der Gewalt lässt Julia immer wieder zweifeln. Sie ist gegen Gewalt.
Auch auf den Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf wird sie damit konfrontiert. Dass die Partei ihr bis in ihr Privatleben den Weg vorschreibt – mit wem sie in der Wohngemeinschaft zusammenlebt, wohin sie in den Urlaub fährt… – lässt sie sich gefallen. Im Examen kämpft sie dafür, ihre politische, kritische Sicht nicht zu verlassen und wird vom Berufsverbot bedroht. Das endgültige Aufwachen geschieht durch einen Fernsehbericht über die Verbrechen der Roten Khmer. Zusammen mit ihrem Freund Thomas beginnt die langsame Distanzierung von der Partei.
Es bleibt die Frage: Wieso haben wir das so lange mitgemacht?
Leseprobe:
Julias Anhörungsverfahren sollte Anfang Februar in Hannover stattfinden. Man hatte ihr eine Liste von Vorwürfen zugeschickt, die angeblich gegen eine Tätigkeit als Lehrerin im niedersächsischen Schuldienst sprachen.
Die Verfassungsschützer hatten fleißig gesammelt, vor allem Unterschriften, die Julia seit 1974 zu allen möglichen politischen Themen geleistet hatte. Offenbar wurden solche Listen auf Lehramtsbewerber durchsucht. Wie sie an diese Listen gekommen waren und warum und von wem ihnen dieses Vorgehen genehmigt wurde, blieb unklar. Julia musste an Stasi-Methoden der DDR denken.
Hauptzweck der Anhörung war anscheinend, ihr eine Mitgliedschaft im KBW oder in der SSG nachzuweisen. Dafür hatten sie bisher keinen Beweis.
Das Gebäude des Innenministeriums erschien schon von außen bedrohlich, passend zu Julias Stimmung. Zusammen mit ihrem Anwalt betrat sie einen holzgetäfelten Sitzungssaal. An einem langen schweren Eichentisch saßen acht ältere Herren in dunklen Anzügen, deren persönliche Vorstellung Julia sofort wieder vergaß. Es hieß, sie seien Vertreter verschiedener Behörden. An der Stirnseite nahmen Julia und ihr Anwalt Platz. Die Fenster erhellten den Raum nur spärlich, die Beleuchtung übernahm ein Kronleuchter, der zusätzlich einschüchternd wirkte. So ähnlich müssen sich in alten Zeiten die Beschuldigten der Inquisition gefühlt haben, dachte Julia. Immerhin droht mir nicht die Todesstrafe, korrigierte sie sich. Sie versuchte, das aufsteigende Gefühl der Beklemmung niederzukämpfen. Der Leiter der Anhörungskommission trug die Vorwürfe in scheinbar unsystematischer Reihenfolge vor. Er begann:
„Trifft es zu, dass Sie 1974 einen Artikel in der ‚Kommunistischen Volkszeitung‘ gegen das Berufsverbot gegen Fritz Güde unterzeichnet haben?“
„Ich bin grundsätzlich gegen Berufsverbote“, antwortete Julia. „An diesen konkreten Fall, der schon sechs Jahre zurückliegt, kann ich mich nicht erinnern.“
Es folgten verschiedene Fragen zu einer Kandidatur Julias für die SSG für das Studentenparlament. Sie bestätigte, sich zur Wahl gestellt zu haben, um sich für Hochschulpolitik zu engagieren. Das Programm der SSG habe sie überzeugt. Es sei eine Listenkandidatur von Mitgliedern und Sympathisanten gewesen.
Einige Mitglieder der Kommission blickten sich vielsagend an.
Der von Kopf bis Fuß graue Herr fragte weiter:
„Haben Sie an einem Aufzug des KBW zur Solidarität mit Zimbabwe im Landkreis Uelzen teilgenommen?“
Julia erinnerte sich daran. Es hatte ein Handgemenge mit der Polizei gegeben, aus welchem Grund wusste sie nicht mehr. In diesem Zusammenhang wurden die Personalien der Demonstranten aufgenommen. Nicht nur verschiedene Unterschriften, sondern auch diese polizeiliche Feststellung, aus der nichts folgte, nutzte der Verfassungsschutz also als Grundlage für seine Nachforschungen, dachte Julia.
Sie erklärte zu dem Vorwurf:
„Das war kein Aufzug, sondern ein politischer Spaziergang. Ich habe mein Demonstrationsrecht wahrgenommen bei einer genehmigten Aktion, dessen Ziel ich richtig fand. Ein Trecker, den ein Bauer gespendet hatte, sollte nach Hamburg überführt werden, um von dort nach Afrika verschifft zu werden. Dort sollte er der ZANU, der Befreiungsorganisation des Volkes von Zimbabwe gegen das rassistische Regime in Rhodesien, übergeben werden. Einen Teil der Wegstrecke begleiteten wir den Trecker-Fahrer, um die Bevölkerung über den Sinn der Aktion zu informieren.
Inzwischen wird das Land, das nun Zimbabwe heißt, von einer demokratisch gewählten Regierung geleitet, an der Mitglieder der ZANU führend beteiligt sind. Unsere Bundesregierung hat mit Zimbabwe diplomatische Beziehungen aufgenommen. Ich sehe also keinerlei Grund, mir in diesem Zusammenhang mangelnde Verfassungstreue vorzuwerfen.“