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Im Schatten der Zypressen

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Im Schatten der Zypressen

Nela und Philipp zieht es mit Ende fünfzig noch einmal fort, in die Provence, nach Südfrankreich. Zuvor haben sie mit ihren drei Kindern in gemeinschaftlichen Projekten gelebt, in Deutschland und in Spanien. Ihr Projekt mit Freunden in Südfrankreich scheitert schon bei der Ankunft. Der Versuch, etwas Neues zu zweit zu finden, wird durch die Absagen für einen Kredit von den Banken durchkreuzt. Als sie sich schließlich für einen restaurierungsbedürftigen Hof entscheiden, bemerken sie erst nach und nach, warum dieser so lange leer gestanden hat. Die folgenden Konflikte mit den sie umgebenden Einheimischen weiten sich zu einem Alptraum aus, der sie krank macht und ihre Beziehung bedroht. Durch die drei erwachsenen Kinder erhalten sie neue Orientierungen und Denkanstöße, um aus ihrem Labyrinth herauszufinden. Die verschiedenen Episoden ihres Lebens spiegeln die Entwicklung von Nela und Philipp wider und ihre Suche nach einem selbstbestimmten Leben.

Roman
Astrid Schmeda
ISBN 978-3-943446-33-3
Preis: € 19,-
596 Seiten
Edition Contra-Bass

 

Leseprobe

Bastian sprach Philipp an, nachdem er den Brief vom Geometer erhalten hatte. Er habe an dem Tag der Réunion keine Zeit, aber er habe mit Monsieur Redon vereinbart, dass er ihm am Tag zuvor alle Unterlagen brächte.
Schisser, sagte Philipp, als er es Nela erzählte.
Ich beneide ihn, erklärte Nela, ich möchte mich auch so verkrümeln können.
Sie entschieden sich für den freistehenden Tisch im Schatten der Akazie auf dem Hof und deckten Wasserflaschen und Gläser. Redon stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz ab und humpelte herüber, installierte sich mit seinen Akten am Tisch. Nela wunderte sich, dass er sich nicht zunächst die Örtlichkeiten ansah. Sie stellten eine große Runde Stühle auf. Chaffard erschien gleichzeitig mit Cordier und seiner Frau, anscheinend hatten sie ihre Autos hinter dem Haus geparkt. Madame Gonzalez stellte ihren Wagen wie üblich auf den Rasen unter die Weide. Zum Glück war ihr Mann nicht dabei. Redon begann eine kleine Rede. Niemand setzte sich. Alle hörten still zu. Er erklärte, dass im Kaufvertrag von Nela und Philipp, sowie in dem von Bruneaus, ein Besitztitel dieser beiden Parteien am Cour commune eingetragen sei, Madame Gonzales und Cordier erhöben aber auch darauf Anspruch. Er berichtete, dass er die Akten durchgesehen, aber nur einen kleinen Eintrag auf dem Vererbungsvertrag von Benedetto gefunden habe.
Wieso spielt er das so herunter, fragte Nela sich verärgert. Außerdem habe er eine Liste erstellt aus dem Kataster, wer wann für das Bassin und das Terrain eingetragen war.
Redon bat nun die Einzelnen, ihre Verträge vorzulegen. Und jetzt, während Redon die Papiere entgegennahm, entstand eine unstrukturierte Situation, die Cordier als Erster nutzte.
Sie wollen mir verbieten, hier entlang zu fahren, schrie er, dabei sind Sie erst seit vorgestern in Frankreich und unsere Familie lebt seit Generationen hier. Ich habe zum Glück einen Zeugen, denn bei mir wurde alles nur mündlich abgemacht.
In dem Moment erschien der krumme Roux, lächelte alle freundlich an und gab Redon die Hand. Er erzählte etwas von früher, redete unzusammenhängend und unverständlich, und so sprachen nun alle auf einmal.
Madame Cordier keifte: Und was sollte das mit den Wäscheleinen, das war ja wohl unverschämt! Und dem alten Chaffard wollen Sie verbieten, vor seinem Cabanon zu parken? Wo soll er denn sonst hin, er muss doch an seinen Garten gelangen können!
Er kann hinten herum fahren, versuchte Philipp zu erklären. Außerdem reicht sein Garten bis an die Straße.
Aber unsere Vorfahren sind seit Jahrhunderten ohne Unterbrechung hier auf dem Hof Eigentümer gewesen, mischte sich Madame Gonzalez ein.
Das war aber nur bis 1928 der Fall, erwiderte Philipp nun schon etwas heftiger, dann haben alle an den Italiener verkauft, nur eine Tochter nicht, die Ihren Urgroßvater heiratete. Sie besaß ein Zimmer im ersten Stock, das war alles, und einen Schuppen.
Niemand hörte zu. Cordier beugte sich vertraulich zu Redon: Das sind die Leute, die uns nachher verbieten, für die Jagd über ihr Grundstück zu laufen!
Redon sagte nichts. Er griff nicht ein, er ließ sich von allen ihre Verträge zeigen und hörte sich die lauten Klagen über die neuen Besitzer an.
Dann setzte Chaffard ein, er hatte nichts mitbekommen, aber seine schrille Stimme erhob sich über das wütende Gebrüll der anderen.
Ein Chambre d’hôte wollen sie hier machen, das ist aber schon immer unser Besitz hier gewesen. Sie haben nichts verstanden. Nichts gehört ihnen, sie dürfen die Tische hier gar nicht hinsetzen. Der Relarg hat immer unseren Vorfahren gehört, mein Vater steht heute noch im Kataster.
Und warum steht Ihr Name nicht drin, und auch nicht der Ihrer Erbin, Madame Gonzalez? rief Philipp aufgebracht. Weil da etwas faul ist! Sie haben keinerlei Beweis!
Nela zupfte Philipp am Ärmel. Es bringt nichts!
Sie setzte sich unter die Treille vors Haus. Ihre Beine zitterten. Sie war völlig hoffnungslos und sehr wütend auf Redon.
Madame Gonzalez, Chaffard und Cordier hielten daran fest, sie besäßen das Recht, vorn herumzufahren und zu parken, egal, was der Geometer sagte. Die ganze Arbeit des Geometers schien sinnlos. Je mehr Nela aus der Distanz zuhörte, hatte sie den Eindruck, er rückte immer weiter von ihnen ab und wandte sich der Gegenseite zu.
Als alle Papiere abgegeben waren, verzogen sich die Nachbarn und redeten untereinander weiter. Roux stand noch am Tisch und begann etwas zu sagen. Nela ging näher heran.
Je vous souhaite une bonne entente, de tout mon cœur! Er nickte, winkte ihnen zu und verschwand hinter dem Cabanon.
Er ist der Einzige, der nicht gegen uns ist, dachte Nela. Dann wandte sie sich an Redon: Sie haben nicht gehalten, was Sie versprochen haben! Sie haben zugelassen, dass alle uns beschimpfen und anschreien!
En France, on laisse les autres parler, antwortete Redon. On le fait pas avec la mitrailleuse!
Die Antwort war so ungeheuerlich, dass Nela nicht reagieren konnte. Sie verabschiedete sich nicht und ging ins Haus.
Hast du gehört, was Redon gesagt hat? fragte Nela, als Philipp mit den Gläsern in die Küche kam.
Ja, irgendetwas mit Maschinengewehr.
Nela wiederholte es. Er denkt also, bei uns in Deutschland redet man nicht, sondern regelt Streitigkeiten mit dem Maschinengewehr!
Um sich zu beruhigen, fuhren sie nach Saignon. Das Dorf lag oberhalb von Apt, unter einen steilen Felsen gebaut. Auf einem Platz plätscherte ein vielarmiger Brunnen in Tontöpfe, die ein besonderes Geräusch verbreiteten. Ein Café am Hang hatte auf mehreren Terrassen Tische und Stühle aufgestellt. Sie setzten sich oben in den Schatten eines Maulbeerbaums.
Ich würde am liebsten schnell alles verkaufen und verschwinden, sprach Nela ihre Gedanken aus.
Philipp nickte. Das verstehe ich, aber wir werden nicht verkaufen können, solange der Konflikt nicht geklärt ist.
Wir stecken in einer Sackgasse. Nela weinte. Wir können nicht weiter zulassen, dass der Alte jeden Tag unsere Gäste beleidigen kann. Diese ständige Angst, das macht mich krank!
Philipp nahm Nelas Hand. Wir dürfen nicht aufgeben. Wir sind im Recht.
Aber ich will nicht weitermachen mit einem, der uns so in die Pfanne haut, Flippo. So wie der uns behandelt hat, und dafür zahlen wir auch noch! Die Nachbarn werden sich nicht nach ihm richten. Wir brauchen einen Anwalt, der ihnen sagt, ob es mit dem Überwegerecht stimmt oder nicht. Dazu muss man nicht bis Napoleon gucken.
Philipp sagte lange nichts. Sie tranken ihren Kaffee. Touristen gingen fröhlich unten die Gasse entlang. Es war ein Dorf, in dem man sich hätte wohl fühlen können.
Cordier hatte am Anfang gesagt: Dann sehen wir uns eben vor Gericht wieder, erklärte Philipp. Und das wollte ich nicht.
Es liegt ja nicht an uns. Es geht auch nicht um einen Prozess. Mir ist wichtig, dass ein Anwalt feststellt, wem gehört was. Und dürfen sie vor unserem Haus entlang fahren, egal ob es uns stört oder nicht. Und unser Geschäft behindert!
Es lag eine dumpfe Bedrohung über ihnen, die sie nicht loswurden. Sie fuhren nach Hause.