→ Geh du nach Süden

geh du nach sueden, renate langgemach, contra-bass, verlag

Sie können unsere Bücher mit einer formlosen E-Mail bestellen, bitte geben Sie Ihren Namen und die Adresse an.

Renate Langgemachs Paris-Roman „Geh du nach Süden“ lässt uns die französische Metropole mit den Augen Johan Jakobs entdecken, der nicht nur in Paris ein Fremder ist, sondern er ist auch sich selbst und in der Welt fremd. Den mütterlichen Kokon aus Kontrolle und Abhängigkeit, in dem er sich 36 Jahre lang befand, und auch das Lehrerdasein verlässt er, um sich in Paris mit unsicherem Schritt nach draußen zu wagen, Läden, Straßen, Viertel zu erkunden, sich zu erwärmen am Leben der anderen Fremden. In seinem kahlen Zimmer rettet er sich vor seinen Schatten, die ihn heimsuchen, mit der Sucht nach Wortbedeutungen und Hintersinn. Bis er auf eine Frau stößt, in die er sich verlieben kann, weil sie ihn nicht in den Würgegriff nimmt, im Gegenteil, sie gibt ihm Rätsel auf und läuft davon. Seine Suche nach ihr führt ihn über Friedhöfe und Abbruchzonen, und seine Unsicherheit wird ihm zur Gefahr. In diesem Versuch der Befreiung und des Wachsens sind ihm die Gassen, in denen die kleinen Leute wohnen, die Cafés und arabischen Imbissbuden, die Wahrzeichen von Paris, die von ferne leuchten, Ankerpunkte für sein neues Leben.

 

ISBN 978-3-943446-08-1
192 Seiten
17,90 €
Edition Contra-Bass

Erscheinungsdatum ist der 15.11.2012

 

Leseprobe

Zimmer dreihundertacht.
Er stellte den Koffer neben das Bett, das nun seins war. Dann richtete er sich auf im Licht der Neonröhre und sog ein, was ihn abschirmen würde vor der Welt. Was den Raum begrenzte, den ab jetzt niemand betreten dürfte, außer er ließe ihn ein: Bett, Tisch, Schrank, grün und weiß.
Alles schien wie mit einem Fettfilm überzogen: der Stuhl, die Wand, die bis zur halben Höhe beklebt war, Vorhang, Laken, Kissen, frisch und tausendmal benutzt zugleich. Er zog seinen Mantel aus.

Den Mantel ablegen, den sie alle als deinen bezeichnen, und in die Fremde gehen, das klingt gut. Bloß hier und jetzt schnürte etwas seinen Hals zusammen und Schweißperlen traten auf Johan Jakobs Stirn. ‚Fremd‘, schlug seine innere Uhr, fremd wie der Bahnhof, der Taxifahrer, die paar Lichtfetzen, abgetretenen Bordsteine. Kein Baum, kein Strauch, keine freundliche Hand: verehrte, verdreckte, lärmende, leuchtende, gutmütige, gefährliche Geliebte!

Minuten füllten das Zimmer und der Geruch, der hinter der Tapete stand.
Er hörte seine Füße auf dem Teppich. Risch. Rasch.
Seine Hände an der Hosennaht.
Seine Reiseuhr in der Tasche.
Er hörte Klappern.
Dann an der rechten Wand einen Sender, der nicht zu entschlüsseln war. Es mochte der Wind sein, der in Kaminröhren seine Sprache anders bündelt als über den Dächern, und wieder Ruhe gibt.

Weblesung (Gefördert von der Kulturbehörde in Hamburg)