→ Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Träumereien am französischen Kamin

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Träumereien am französischen Kamin,  Culture & Contact, Contra Bass, Verlag

Culture & Contact
Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit.
Träumereien am französischen Kamin

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Texte und 20 Fotos
ISBN 978-3-943446-22-7
88 Seiten
Preis € 9,90
Softcover
Format 155 x 220

Das Heft „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Träumereien am französischen Kamin“ ist ein Blick auf Frankreich und seine Ideale aus der Französischen Revolution, auf die Idealisierung Frankreichs durch uns deutsche Zugereiste und eine Konfrontation dieser Träume mit unserer Realität. Es sind subjektive Beobachtungen und Erlebnisse, Recherchen zu Themen, die uns direkt berühren und Entdeckungen, die wir auf unseren Streifzügen durch Südfrankreich gemacht haben.
Seit 1997 ansässig in Südfrankreich setzen wir uns mit Fragen und Beobachtungen auseinander, die uns unsere deutschen Gäste und Kursteilnehmer immer wieder vortragen, und auf die wir als Fremde, Intellektuelle, Neugierige, Deutsche in Frankreich unweigerlich stoßen:
Die Veränderung von Landschaften durch Industrie und Tourismus / Veralteter Unterricht und Reformversuche / Der besondere französische Humor / Der selbstverständliche Widerstand eines kleinen Dorfes während der deutschen Besatzung / Widerstand gegen staatliche Gewalt heute / Konzentrationslager an den Stränden Südfrankreichs 1939 / Der unvollendete Laizismus / Individualismus / Minderheitensprachen / Marseillaise / Französisch-Deutsche Ressentiments / Der einst rote Süden als Basis des Front National / Der kleine Prinz Hollande …

Autoren
Astrid Schmeda (Schriftstellerin, Pädagogin, Psychologin, 1950 in Aurich geboren) und Gerd Stange (Schriftsteller, Übersetzer, Pädagoge, 1944 in Hamburg geboren) haben 2010 den Verlag Edition Contra-Bass gegründet und leben seit 1997 in Frankreichs Süden. In ihrem provenzalischen Gästehaus werden sie häufig von Gästen danach gefragt, wie es für sie ist, in Frankreich zu leben, welche Unterschiede es zu Deutschland gibt und wie das Verhältnis der Franzosen zu Deutschland ist.

Textprobe

Französische Bürokratie
Hürdenlauf ins Paradies

„Ich finde es paradiesisch hier“, sagte uns vor Kurzem eine Frau zum Abschied, die in unserem Gästehaus ihre Ferien verbracht hatte.
Manche bemerken es gleich bei der Ankunft: „Sie haben sich ja ein Paradies geschaffen!“
Viele Ausländer aus dem Norden Europas träumen vom Leben in Südfrankreich, speziell der Provence. Erst kaufen sie sich eine Ruine für die Ferien, die sie in jahrelanger Arbeit liebevoll herrichten, um dann, wenn die Kinder groß sind und die Rente nicht mehr weit ist, auszuwandern in die Sonne und sich mit einem kleinen Gästebetrieb etwas dazu zu verdienen.
Doch wenn man das ganze Jahr hier lebt, liegt das Paradies der Träume nicht in den Wolken, sondern es ist festgezurrt durch den französischen Staat, die Region, das Departement, die Präfektur und Sub-Präfektur, die Gemeinde, das Finanzamt, Touristenbüro, Krankenkasse, Kfz-Versicherung…
Die Provence besteht nicht nur aus Pastis trinkenden Boulespielern und scherzenden, attraktiven Bäckerinnen, das hat auch Marcel Pagnol schon gewusst, und man kann es ebenso bei Jean Giono und Pierrre Magnan lesen. Aber wir wollen hier nicht von der Gerissenheit der Bauern sprechen, die ein Wegerecht im Paradies durchsetzen, Grundstücke und sogar Zimmer für sich reklamieren, obwohl das nicht im Kaufvertrag steht. Auch nicht darüber, dass sie gar keine Siesta mehr machen, sondern mittags um halb zwei schon ihren Trecker wieder anschmeißen, uns morgens um halb sechs und abends um elf mit ihren Giftschleudern aus dem Schlaf reißen, weil sie nur noch Teilzeit-Bauern sind.

Sprechen wir vom steinigen Weg der Genehmigungen. Nachdem wir seit zehn Jahren in Frankreich lebten, wollten wir unseren schon etwas betagten Wagen ummelden und eine französische Autonummer erhalten. Man sagte uns, das mache das Bürgermeisteramt im Dorf. Die freundliche Sekretärin winkte ab, nein, es sei die Sub-Präfektur in Apt, an die wir uns zu wenden hätten. Dort war die gewichtige Tür verschlossen, und nach dem Klingeln musste man sein Anliegen der Sprechanlage erklären. Weiter kam man nicht, die Tür wurde nicht geöffnet, eine Stimme schickte uns zur Präfektur in Avignon. Wir hatten uns informiert, um die fünfzig Kilometer nicht umsonst zu fahren, brachten alles, was wir an Papieren besaßen, mit nach Avignon.
Nein, zum Ummelden eines Pkw gäbe es eine bestimmte Stelle.
Es war kurz vor 12 Uhr, als wir dort ankamen, wir wurden aber noch herein gelassen.
-Haben Sie eine Bescheinigung, dass der Wagentyp auf französischen Straßen zugelassen ist?
-Es handelt sich um ein französisches Fabrikat, mein Herr. In Deutschland gekauft.
Wir machten die genauen Angaben, er sah in einer Liste nach. Da der Wagen wie gesagt schon etwas älter war, erschien der genaue Typ nicht auf der Liste.
-Sie müssen sich die Genehmigung beim Hersteller ausstellen lassen.
Also fünfzig Kilometer zurück. Eine Genehmigung, dass ein französischer Autotyp den französischen Vorschriften entspricht?
Nachdem wir die Bestätigung von der Zentrale in Pairs erhalten hatten, fuhren wir wieder nach Avignon zur Ummeldestelle.
-Haben Sie eine Steuerunbedenklichkeitsbescheinigung dabei?
-Wir haben den Wagen vor zehn Jahren eingeführt und mussten dafür keine Steuern entrichten.
-Genau, darüber brauchen wir eine Bescheinigung.
-Aber innerhalb Europas wird kein Auto, das über die Grenze geht, besteuert.
-Das wissen wir. Es tut uns leid, aber ohne die Bescheinigung geht es nicht.
Fünfzig Kilometer zurück. Finanzamt in Apt, kein Problem.
Wieder nach Avignon mit der Steuerunbedenklichkeitsbescheinigung. Diesmal klappte es!
Wenn man mit einer französischen Autonummer in ein Dorf hineinfährt und auf dem Marktplatz hält, betrachten einen die anwesenden Boulespieler nicht als Touristen. Manchmal ist das ein gutes Gefühl.