→ In den Bergen von Maillol

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Die Autorin verknüpft in fünf Erzählungen die individuellen Geschichten von Deutschen, die es in die Pyrenäen gezogen hat, mit dem historischen Geschehen an den jeweiligen Orten.
– Die junge Architektin Beate macht Ferien in den baskischen Pyrenäen am Atlantik und trifft auf eine Wirtin, deren Familie durch die Freiheitsbewegung der ETA zerrissen wurde.
– Anne und Bastian sind in die mediterranen Pyrenäen gezogen, wo sie versuchen, über die Beschäftigung mit Picasso und den Malern der Fauves, der Wilden, aus ihrer Isolation zu finden.
– Agathe entwickelt mit dem spanisch-stämmigen Andros ein Theaterstück über den Dichter Antonio Machado, der vor den Truppen Francos über die Pyrenäen floh. Andros alte Mutter erinnert sich dadurch an ihre Flucht als 6-jährige in Eis und Schnee.
– Lorna spürt noch die Angst vor terroristischen Attentaten, als sie mit Wiegand im Trubel des Weihnachtseinkaufs in einem Café in Perpignan sitzt. Sie denkt an ihre Reise nach Deutschland, wo Wiegand eine Lesung über die Islamische Kultur in Europa halten wollte, am Tag nach dem Attentat im Pariser Konzertsaal Bataclan.
– Jette bereitet mit ihren Künstler-Freundinnen im ersten Sommer der Pandemie im geschlossenen Museum des Bildhauers Maillol ein Happening vor. Maillol zog sich während der deutschen Besatzung mit seinem jungen Modell Dina nach Banyuls zurück und geriet doch ins Visier der Faschisten.

In den Bergen von Maillol.
Erzählungen aus den Pyrenäen
ISBN 978-3-943446-67-8
Erzählungen
Preis: € 18,-
224 Seiten
Softcover

Leseprobe

Jette und Jonathan lebten in einem einsam gelegenen Haus in den Bergen der auslaufenden Pyrenäen, nahe der spanischen Grenze, 8 Kilometer vom Mittelmeer und dem Küstendorf Banyuls entfernt. Ihr Hof lag etwas abseits von der schmalen Straße, die zum Pass und der Grenze führte, und sie hatten nur einen Nachbarn, etwas tiefer gelegen.

Gestern Abend war Jette aus der Tür getreten und hatte von der Terrasse aus gehorcht. Es herrschte in ganz Frankreich couvre feu ab 19 Uhr, Ausgangssperre wegen der Pandemie. Anscheinend hatte der junge Nachbar nicht nur Besuch, sondern sie waren auch noch in Krawallstimmung. Jette hatte die Tür geschlossen und versucht, sich zu beruhigen. Sie konnte das verstehen. Die jungen Leute hatten keine Lust mehr, das Leben anzuhalten. Seit einem Jahr ein steter Wechsel von vollkommener Einschließung zu Anfang, Lockerungen und erneute Beschränkungen, und jetzt seit drei Monaten nächtliche Ausgangssperre, keine Bar, keine Disco, nichts wo sie sich treffen konnten als zu Hause (was auch nicht erlaubt war).
Es gab in vielen Städten kleinere Revolten, Demonstrationen gegen die Regierungsmaßnahmen, aber was sollte das für einen Sinn haben hier in der Einsamkeit? Also: sie feierten. Sollten sie.
Als sie vor fünf Jahren dieses Haus kauften, wohnte eine Familie mit zwei Kindern dort unterhalb, aber nur an den Wochenenden, sie lebte in Toulouse. Sie hatten nur wenig Kontakt zu ihnen, die Frau war freundlich. Dann trennte sie sich von ihrem Mann und zog mit beiden Kindern zu einem neuen Mann in die Ardèche. Nur der große Sohn Manu kam noch ab und zu an Wochenenden.

Aber Schüsse waren eine andere Nummer als eine Fete. Jette lag angespannt im Bett, ihr Herz klopfte wild. Sollte sie Jon anrufen? Sie würde ihn beunruhigen, und er konnte nichts für sie tun. Ihre Fantasie rannte ihr davon. Wer schießt in der Nacht und warum? Wer hat Waffen? Sie wusste nichts über den jungen Mann, als dass seine Mutter, bevor sie wegzogen, davon gesprochen hatte, dass er nach dem Abitur keine Lust zu nichts habe und nur zu Hause rumhängen würde. Vor allem der Vater verurteilte das scharf.
Vor einigen Tagen hatte Jette im Fernsehen von Bandenkämpfen in der Nähe von Paris gehört. Verfeindete Gruppen von sehr jungen Menschen brachten sich gegenseitig um. Vielleicht traf er sich mit rechtsgerichteten Jugendlichen, und sie übten schießen. Aber es waren nur zwei oder drei Schüsse. Wahr-scheinlich waren sie betrunken, hatten das Jagdgewehr des Vaters gefunden und ballerten damit rum. Oder einer hatte eine Pistole dabei und gab damit an. Wie anders waren diese Jugendlichen als ihre Kinder: Yves, der in Paris eine Ausbildung zum Osteopathen machte, bewegte sich in alter-nativen Gruppen. Niemals wäre es dort möglich, dass einer eine Waffe hätte. Sie waren Pazifisten oder auf jeden Fall gegen die herrschenden Kriege. Nur auf dem Lande besaß jeder „normale“‘ Vater ein Jagdgewehr.
Jette wälzte sich von einer Seite auf die andere. Sie wollte nicht nach der Uhr schauen und tat es doch. Vier Uhr. Jetzt würden sie alle betrunken oder bekifft herumliegen und schlafen.
Also konnte sie ebenso schlafen. Sollte sie sich doch wieder einen Hund anschaffen? war ihr letzter Gedanke. Jonathan war oft fort.